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Ein stabiler Euro erfordert ehrgeizige Industriepolitik

BARCELONA – Die Idee einer europäischen Industriepolitik steht zumindest seit Anfang 2019 wieder auf der Tagesordnung, als ein deutsch-französisches Manifest zu diesem Thema veröffentlicht wurde. In diesem Dokument konzentrierte man sich zwar in erster Linie auf die globale Wettbewerbsfähigkeit, doch ein ebenso starkes Argument für eine Wiederbelebung der Industriepolitik besteht darin, dass sie für das Überleben des Euro notwendig ist.  

Seit der Einführung der Einheitswährung ist der Anteil der Industrie an der Gesamtwirtschaft im Hinblick auf die Wertschöpfung in Deutschland stabil geblieben, während er in Frankreich, Spanien und Italien deutlich rückläufig war. Deutschlands wirtschaftspolitische Reaktion auf den Covid-19-Schock wird diese Tendenz wohl noch verstärken.

Die Industrie, die im weitesten Sinne auch digitale Dienstleistungen umfasst, ist der Schlüssel zur Steigerung der Produktivität und das bedeutet, dass die südlichen Mitglieder der Europäischen Union für eine Wiederbelebung ihrer Industrie sorgen werden müssen. Andernfalls werden sich nämlich aufgrund des relativen Mangels an Wettbewerbsfähigkeit die Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone vertiefen und die Aussichten auf permanente Transferleistungen vom Norden in den Süden erhöhen, die wiederum die politische Stabilität der Union gefährden.

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