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Europas schweigende Mehrheit meldet sich zu Wort

LONDON – Die Europawahlen im vergangenen Monat haben bessere Ergebnisse gezeitigt, als man das hätte erwarten können, und zwar aus einem einfachen Grund: Die schweigende proeuropäische Mehrheit hat sich zu Wort gemeldet. Was sie sagte, war, dass sie die Werte bewahren möchte, auf denen die Europäische Union errichtet wurde, aber auch, dass sie radikale Veränderungen an der Funktionsweise der EU will. Ihr wichtigstes Anliegen ist der Klimawandel.

Hiervon profitieren die europafreundlichen Parteien, insbesondere die Grünen. Die europafeindlichen Parteien – von denen man nicht erwarten kann, dass sie irgendetwas Konstruktives tun – haben nicht die von ihnen erwarteten Stimmengewinne erzielt. Und sie können auch nicht jene geeinte Front bilden, die sie bräuchten, um mehr Einfluss zu gewinnen.

Eine der Institutionen, die man ändern muss, ist das System des Spitzenkandidaten. Es soll eigentlich eine Form der indirekten Wahl der EU-Führung gewährleisten. Tatsächlich jedoch ist es, wie Franklin Dehousse in einem brillanten, aber pessimistischen Artikel im EU Observer erklärt hat, schlimmer als überhaupt keine demokratische Auswahl. Jeder Mitgliedstaat hat echte politische Parteien, doch deren transeuropäische Kombination bringt künstliche Gebilde hervor, die keinem anderen Zweck dienen als dem persönlichen Ehrgeiz ihrer jeweiligen Spitzen.

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