Europas verfehlte Suche nach Wachstum

BRÜSSEL – Vor ein paar Monaten unterzeichneten 25 der 27 Mitgliedsländer der Europäischen Union feierlich einen Vertrag, der sie verpflichtet, strikte Defizitgrenzen in ihren nationalen Verfassungen zu verankern. Dieser so genannte „Fiskalpakt“ war die Grundvoraussetzung, um Deutschland zu einer substanziellen Erhöhung der Mittel für die Rettungsfonds der Eurozone zu bewegen und um die Europäische Zentralbank dazu zu bringen, ihre „langfristige Refinanzierungsoperation“ (LTRO) durchzuführen, die für die Stabilisierung der Finanzmärkte von entscheidender Bedeutung war.

Heute allerdings verlagert sich die Aufmerksamkeit in der Eurozone auf das Wachstum. Wir haben es hier mit einem wiederkehrenden Muster in der europäischen Politik zu tun: Zunächst wird die Sparpolitik ausgerufen und als Voraussetzung für Wachstum bezeichnet. Bricht danach aber die Rezession aus, wird das Wachstum als eine Voraussetzung für fortgesetzte Sparpolitik präsentiert.

Vor etwa 15 Jahren befand sich Europa in einem ähnlichen Zyklus. In den frühen 1990er Jahren, als die Pläne für eine Europäische Währungsunion (EWU) konzipiert wurden, bestand Deutschland, im Gegenzug für den Verzicht auf die D-Mark, auf einem „Stabilitätspakt“. Als Europa nach 1995 in eine tiefe Rezession fiel, wandte man sich wieder dem Wachstum zu und mit der Entschließung des Europäischen Rates über Wachstum und Beschäftigung” wurde 1997 aus dem „Stabilitätspakt“ der „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ (SWP).

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