Syrian refugee and her baby. World Bank Photo Collection/Flickr

Europas schlechtes Beispiel

LONDON – Die Anzahl der Todesopfer durch die europäische Lähmung angesichts des Problems der Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und Afrika wird immer höher. Und auch hunderttausende andere mussten unnötig leiden. Der Ruf der Europäischen Union wurde trotz der mutigen Führung durch Deutschland, Schweden und die Europäische Kommission schwer beschädigt. Die bitteren Spaltungen zwischen den Mitgliedstaaten gefährden die grenzenlosen Reisemöglichkeiten in der EU innerhalb des Schengen-Gebietes. Und die Populisten reiben sich die Hände.

Aber das Scheitern der EU bei der Suche nach einer gemeinsamen Antwort hat eine weitere schlimme Konsequenz, die weniger bekannt ist: Damit, dass die europäischen Politiker von einem ergebnislosen Gipfel zum nächsten stolpern, haben sie dem Rest der Welt eine Entschuldigung für ähnliche Tatenlosigkeit gegeben. Wenn sogar die EU nicht in der Lage ist, sich einer Krise zu stellen, von der ihre Mitgliedstaaten direkt betroffen sind, warum sollten dann andere Länder aktiv werden?

Um Missverständnissen vorzubeugen: Für das Wohlergehen der Menschen, die aus Afghanistan, Eritrea, Syrien und anderswo vor der Verfolgung fliehen, hat nicht nur Europa allein die Verantwortung. Wie bereits die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 unmissverständlich klarstellt, ist für diese verzweifelten Seelen die gesamte Weltgemeinschaft zuständig. Aber die unmoralische und fremdenfeindliche Haltung einer Handvoll EU-Staaten hat es anderen Ländern ermöglicht, an der Seitenlinie stehen zu bleiben und damit das weltweite Flüchtlingssystem zu beschädigen – dessen Hauptnutznießer in den letzten 64 Jahren die Europäer selbst waren.

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