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Armut in Europa ist eine tickende Zeitbombe

MADRID – Menschen in Armut sind selten entscheidend für den Ausgang von Wahlen in Industrienationen, und doch werden sie im gegenwärtigen Wahlkampf in Italien heftig umworben. Der ehemalige Ministerpräsident Silvio Berlusconi, Parteivorsitzender der Forza Italia, hat ein „menschenwürdiges Grundeinkommen“ vorgeschlagen, und auch die Fünf-Sterne-Bewegung um den Komiker Beppe Grillo hat ein „Bürgereinkommen“ gefordert.

Beide Vorschläge – die großzügige monatliche Zahlungen an Benachteiligte mit sich bringen würden – sind im Hinblick auf ihre Ausgestaltung fragwürdig. Aber wenigstens beleuchten sie das sich rasant verschärfende Problem weit verbreiteter Armut in ganz Europa.

Armut stellt eine extreme Form der Einkommenspolarisierung dar, ist aber nicht dasselbe wie Ungleichheit. Sogar in einer höchst ungleichen Gesellschaft fehlt es denjenigen, die weniger haben, nicht notwendigerweise an den Mitteln, die ihnen ein menschenwürdiges und erfüllendes Leben ermöglichen. Das ist bei Menschen, die in Armut leben, anders, weil sie vollkommen vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen oder sogar obdachlos sind. Sogar in Industrienationen haben die Armen oft keinen Zugang zum Finanzsystem, rackern sich ab, um Lebensmittel oder die Stromrechnung zu bezahlen und sterben vorzeitig.

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