electric car Sina Schuldt/picture alliance via Getty Images

Sollten Sie sich ein Elektro-Auto anschaffen?

NEU-DELHI – Nur 8% der weltweiten CO2-Emissionen entfallen auf PKWs, und wenn Sie ein Elektrofahrzeug mit in ineffizienten Kohlekraftwerken erzeugtem Strom aufladen, ist der unmittelbare Effekt im Vergleich zu einem modernen Benzin- oder Dieselfahrzeug ein Anstieg der CO2-Emissionen. Daher ist es wichtig, zu betonen – so wie es Fatih Birol, geschäftsführender Direktor der Internationalen Energie-Agentur, im Januar in Davos getan hat –, dass Elektro-Autos allein die Klimakatastrophe nicht verhindern werden. Trotzdem ist die Elektrifizierung der Fahrzeuge zur Emissionssenkung unverzichtbar. Wenn Ihnen das Klima wichtig ist, sollte Ihr nächstes Auto ein Elektrofahrzeug sein.

Elektromotoren sind per se effizienter als Verbrennungsmotoren: Während ein Benzin- oder Dieselmotor im Normalfall mehr als 70% der Energie, die er verbraucht, als unerwünschte Wärme verschwendet, wandelt ein Elektromotor 95% davon in Bewegungsenergie um. Und wenn die Akkukosten erst einmal unter 100 Dollar pro Kilowattstunde fallen – womit Bloomberg New Energy Finance (BNEF) bis 2024 rechnet –, werden Elektro-Autos nicht nur im Betrieb, sondern auch im Einkauf billiger sein. Daher werden sich Elektrofahrzeuge letztlich durchsetzen – und zwar deutlich schneller, als viele Prognosen nahelegen –, egal, ob uns das Klima wichtig ist oder nicht.

Sofern der verwendete Strom eine Kohlenstoffintensität von unter 800 g pro kWh aufweist, senken Elektro-Autos die Kohlenstoffemissionen. In Frankreich (wo die durchschnittliche Intensität ca. 80 g beträgt), in Großbritannien (ca. 250 g und rasch sinkend), den USA (ca. 400 g) und selbst in Deutschland mit seiner hohen Kohlenstoffintensität (noch immer ca. 500 g) werden Elektro-Autos die Emissionen unzweifelhaft senken, vorausgesetzt, die Nutzer laden sie nicht während jener Zeiten auf, wo die marginale Intensität am höchsten ist.

In China und Indien dagegen, wo die durchschnittliche Kohlenstoffintensität der Stromproduktion bei etwa 800 g liegt, könnte sich eine sehr schnelle Zunahme des Anteils an Elektrofahrzeugen anfänglich negativ auswirken. Wichtig jedoch ist die Kohlenstoffintensität des verbrauchten Stroms über die Gesamtnutzungsdauer des Fahrzeugs hinweg. Die optimale Strategie besteht daher darin, die Elektrifizierung der Autos zu fördern und zugleich die Dekarbonisierung der Stromerzeugung im hohen Tempo voranzutreiben. Die steil fallenden Kosten erneuerbarer Energien machen das heute möglich. Wie aktuelle Berichte der Energy Transitions Commission zeigen, könnte Indien die Kohlenstoffintensität seiner Stromproduktion bis 2030 auf 550 g pro kWh senken – und das bei gleichzeitiger Verdoppelung seines Stromverbrauchs und ohne dass den Verbrauchern dadurch zusätzliche Kosten entstehen.

Zudem lassen sich die CO2-Emissionen des Verkehrssektors potenziell sehr viel stärker verringern als die Zahl von 8% nahelegt. Weitere 8% der Emissionen stammen von LKWs und Bussen, und auch für diese Fahrzeuge ist die Zukunft elektrisch. Hier wird das Tempo der Elektrifizierung teilweise davon abhängen, wie viele Menschen sich zum Kauf von Elektro-Autos entschließen. Hohe Investitionen in innovative Akkus und Skaleneffekte in der Fertigung aufgrund der erwarteten Absätze bei Elektro-Autos sorgen für Kosteneinsparungen und eine Zunahme der Energiedichte, was akkubetriebene Elektro-Busse und Kurzstrecken-LKWs zunehmend konkurrenzfähig machen wird. Was LKW-Transporte auf der Langstrecke angeht, könnten Brennstoffzellen der Schlüssel zu einer ausreichenden Reichweite sein. Die Motoren jedoch werden Elektromotoren sein, was zu drastischen Verbesserungen bei der Luftqualität in den Städten führen und die CO2-Emissionen senken wird (wenn der Strom aus weniger kohlenstoffintensiven Quellen stammt). Darüber hinaus werden Batterietechnologien und Brennstoffzellen auch in der Schiff- und Luftfahrt auf Kurzstrecken eine wichtige Rolle spielen.

Zugleich werden die anfangs durch die wachsende Zahl an Elektrofahrzeugen beflügelten Innovationen bei den Akkus die Kosten der Dekarbonisierung der Stromerzeugung senken. BNEF schätzt, dass die Akkupreise bis 2030 auf 62 Dollar pro kWh fallen könnten. Dies würde den Versorgungssektor in die Lage versetzen, Akkukomplettsysteme einzusetzen, die pro kWh weniger als 150 Dollar kosten. Die Akkus würden in Stromanlagen, die zunehmend von Sonnen- und Windenergie abhängig sind, eine kosteneffiziente Übernachtspeicherung ermöglichen. Dies wiederum sorgt dann für jene geringere Kohlenstoffintensität, die erforderlich ist, damit die Elektrofahrzeuge gut für den Planeten sind.

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Natürlich sind neben Strom, Akkus und Brennstoffzellen noch andere Technologien für die Emissionsreduzierung unverzichtbar. In jenen Industriesektoren, in denen die Kohlenstoffminderung schwieriger ist – etwa in der Stahl-, Zement- und Chemieindustrie – sind zudem Bioenergie und Kohlenstoffabscheidung erforderlich. Für Interkontinentalflüge werden Akkus ohne dramatische und derzeit nicht absehbare Verbesserungen bei der Energiedichte der Akkus (auf das Sechsfache oder mehr) weiterhin viel zu schwer bleiben. Auf der Basis von kohlenstoffarmem Strom produzierte synthetische Düsentreibstoffe könnten wirtschaftlich werden, und auch Biokraftstoffe dürften eine wichtige Rolle spielen.

Doch während eine Kombination unterschiedlicher Technologien nötig sein wird, zeigen alle plausiblen Szenarien zur Erreichung der Pariser Klimaziele, dass eine massive Ausweitung der Rolle des Stroms unverzichtbar ist. Das jüngst von Shell veröffentlichte „Sky Scenario“ schätzt, dass Ende dieses Jahrhunderts mehr als 60% der Energieendnachfrage auf Strom entfallen werden. Heute sind es rund 20%. Wenn wir nicht einen möglichst großen Teil unserer Volkswirtschaften auf Strom umstellen und die Dekarbonisierung der Stromerzeugung schnellstmöglich vorantreiben, besteht keine Hoffnung darauf, massive Klimaschäden zu vermeiden.

Natürlich sind Elektrofahrzeuge unterschiedlicher Art und Größe erhältlich, und je größer unsere gekauften Elektro-Autos sind und je mehr wir mit ihrer überlegenen Beschleunigung angeben, desto größer ist die Gefahr, dass die unmittelbare Folge der Elektrifizierung höhere Emissionen sein werden. Leider handelt es sich bei den heute angebotenen Elektrofahrzeugen tendenziell um dicke Limousinen und SUVs; kleine und mittelgroße Modelle, die letztlich die größten Emissionsverringerungen bringen, sind seltener. Dies spiegelt die Gewinnanreize der Autohersteller, die Schwierigkeiten, mit kleineren Batterien eine ausreichende Reichweite zu erzielen, und den Mangel an einer ausreichend weit verbreiteten Ladeinfrastruktur wider. Doch die Ladeinfrastruktur kann und muss gebaut werden, und ein breiteres Spektrum an Autogrößen wird zunehmend erhältlich werden.

Wenn Ihnen also das Klima wichtig ist, dann sollte Ihr nächstes Auto ein Elektrofahrzeug sein – vorzugsweise eines, das ein oder zwei Größen kleiner ist als das, an das Sie zunächst gedacht haben. Und um sicherzustellen, dass Sie wirklich zur Rettung des Planeten beitragen, sollten Sie Ihre persönliche Kaufentscheidung mit politischer Unterstützung für Maßnahmen kombinieren, um eine rasche Dekarbonisierung der Stromerzeugung und Investitionen in eine weiter verbreitete Ladeinfrastruktur voranzutreiben. Elektrofahrzeuge zu kaufen allein kann den Planeten nicht retten. Doch es ist ein starker Hebel, um jene umfassenderen Änderungen herbeizuführen, die es können.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

https://prosyn.org/kdJh6O8de