blanchard16_PATRICK T. FALLONAFP via Getty Images_covid vaccine Patrick T. Fallon/AFP via Getty Images

Die Risikophase nach der Impfung

PARIS/WASHINGTON, DC – Trotz all der Dramen über die verzögerte Bereitstellung von COVID-19-Impfstoffen und die Exportbeschränkungen besteht kaum Zweifel daran, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen in den Vereinigten Staaten und Europa bis zum Sommer geimpft sein wird. Die Zahlen der Todesopfer werden sich entsprechend der jeweiligen Maßnahmen der Länder unterscheiden, aber die öffentliche Gesundheitslage wird für Amerikaner, Europäer und Briten weitgehend gleich sein.

Unklar bleibt aber, wie viel des vorpandemischen sozialen Lebens zurückkehren und wie lang es anhalten wird. Einige Beschränkungen werden zweifellos bleiben. Die Reisebranche wird sich beispielsweise nur langsam und ungleichmäßig erholen, und es wird wahrscheinlich „Reiseblasen“ geben – ein Szenario, das in Australien und Neuseeland, wo das Virus fast ausgerottet wurde, bereits erwartet wird. Im Sommer wird die Europäische Union wohl jenen, die über Impfpässe verfügen, quarantänefreie Grenzübertritte gewähren. Aber für Langstreckenreisen wird es weiterhin Einschränkungen geben.

Wie schnell und umfassend die sozialen Aktivitäten wieder aufgenommen werden, wird wahrscheinlich auch mit den Einkommensunterschieden der Länder zusammenhängen. Auch wenn einige Schwellenländer (wie Chile, Marokko und die Türkei, die schneller als die EU impfen) ein hohes Impfniveau erreicht haben könnten, wird der größte Teil der Entwicklungsländer das Virus noch nicht unter Kontrolle haben. Dementsprechend werden sich die Grenzkontrollen zwischen der geimpften reichen Welt und der ungeimpften armen Welt wahrscheinlich verschärfen – insbesondere dann, wenn weiterhin neue Virusvarianten auftreten. Besonders stark dürften darunter die Arbeitsmigranten leiden, aber es wird auch allgemeinere Folgen wie einen Rückgang des Langstreckentourismus geben, der manche Volkswirtschaften massiv untergraben wird.

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