sierakowski77_Michal FludraNurPhoto via Getty Images_donaldtusk Michal Fludra/NurPhoto via Getty Images

Der Tusk-Effekt

WARSCHAU – Seit Juli ist Donald Tusk, der ehemalige Präsident des Europäischen Rates, der von 2007 bis 2014 das Amt des polnischen Ministerpräsidenten innehatte, zurück in der polnischen Politik. Viele Wähler sehen in ihm den Politiker, der das gesetzliche Rentenalter angehoben hat – eine Reform, die 2017 von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) rückgängig gemacht wurde. Tatsächlich macht die PiS Tusk für so ziemlich alles verantwortlich, was in Polen schiefläuft.

Es sind viele paranoide Anschuldigungen gegen Tusk in Umlauf. So heißt es zum Beispiel, er habe 2010 gemeinsam mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin den Flugzeugabsturz arrangiert, bei dem Präsident Lech Kaczyński, der eineiige Zwillingsbruder des Chefs der PiS-Partei Jarosław Kaczyński, umkam, und sei in Wirklichkeit Deutscher und werde von Kanzlerin Merkel unterstützt.

Tusk jedoch ist vollendeter Pragmatiker. Er gibt zu, dass er in seiner Amtszeit als Ministerpräsident ein paar schwere Fehler gemacht hat. Inzwischen will er den Menschen die Wahl lassen, ob sie früher in Rente gehen oder durch einen späteren Renteneintritt ihre Rente erhöhen wollen. Er ist nicht mehr so wirtschaftsliberal wie früher und räumt ein, dass der Staat den Wohlstand aktiver umverteilen sollte. Wie der Rest der politischen Klasse in Polen erkennt auch er, wie populär die großzügigen Sozialprogramme der PiS sind. Der Neoliberalismus, der nach 1989 in der Ära des damaligen Finanzministers Leszek Balcerowicz und dessen „Schocktherapie“ in Polen vorherrschte, wird nicht zurückkehren.

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