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Widersprüchliches Mitgefühl

NEW YORK – Seit Beginn des russischen Einmarsches in die Ukraine sind 2,5 Millionen Menschen nach Polen geflohen und über 350.000 nach Ungarn. Als jedoch im Jahr 2015 die damalige Kanzlerin Angela Merkel1,1 Millionen Asylsuchende nach Deutschland einreisen ließ – von denen etwa 40 Prozent aus Syrien stammten – riegelten Polen und Ungarn ihre Grenzen für Personen ab, die vor dem Blutvergießen im Nahen Osten geflüchtet waren. 

Diese unterschiedlichen Reaktionen haben manche Menschen – meist „Progressive“ – überaus wütend gemacht. Auf der einen Seite Tränengas und Wasserwerfer einzusetzen, um arabische Asylsuchende abzuwehren, aber auf der anderen Seite Menschen aus der Ukraine mit offenen Armen zu empfangen, komme – so ihr Argument – rassistischer Voreingenommenheit oder sogar „weißem Suprematismus“ gleich.

Alle Menschenleben sind gleich wertvoll. Von einem moralischen Standpunkt aus besteht kein Unterschied zwischen einem traumatisierten jungen Mann aus Aleppo und einer verzweifelten Mutter aus Charkiw. Doch aus praktischen und psychologischen Gründen machen Länder auf Grundlage von Kultur, Religion, Sprache und Politik einen Unterschied zwischen Geflüchteten. Dies gilt insbesondere für Länder mit einer relativ homogenen Bevölkerung, wie dem heutigen Polen.

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