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Wird die Demokratie als Letzte sterben?

PARIS – Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre argumentierten bekannte Experten für internationale Beziehungen wie der verstorbene politische Philosoph Pierre Hassner, dass die Welt gerade Zeuge eines Auflösungswettlaufs zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion werde. Für Letztere sollte sich der Konflikt in Afghanistan zu einem noch kostspieligeren Fehlschlag entwickeln, als es der Vietnamkrieg für Amerika gewesen war. Im Jahre 1989 stand das Urteil fest: Die Sowjetunion war viel schneller verkümmert als die USA, und ihr Weltreich brach zusammen – Opfer ihrer eigenen Fehler und Widersprüche.

Das Konzept eines Auflösungswettlaufs ideologischer und politischer Modelle scheint heute einmal mehr relevant zu sein. In einem jüngsten Interview mit der Financial Times erklärte der russische Präsident Wladimir Putin das freiheitliche demokratische Ideal für „obsolet“. Doch die Mengen protestierender Demonstranten auf den Straßen von Moskau und, deutlich spektakulärer, Hongkong legen nahe, dass das autoritäre Modell eine Menge eigener Probleme aufweist.

Es stimmt, dass besorgte Demokraten inzwischen befürchten, dass die Welt in eine dritte, dunklere Phase ihrer Nachkriegsgeschichte eingetreten sei. Die erste Phase, von 1945 bis 1989, war vom Kalten Krieg dominiert. Die zweite zwischen 1990 und 2016 repräsentierte einen fragilen Sieg der freiheitlich-demokratischen Regime. Nun jedoch, so wird argumentiert, sei die Welt in eine neue, gefährliche populistische Ära eingetreten, die mit dem Sieg der Brexit-Befürworter im Vereinigten Königreich und der Wahl von Präsident Donald Trump in den USA begonnen habe.

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