Tränen über Parmalats vergossene Milch

Im Krieg um die Wertmaßstäbe zwischen Amerika und einem Großteil der Welt spielt die Art der Unternehmensführung eine wichtige Rolle. Unterschiedliche Ansichten dazu, wie der Kapitalismus betrieben wird, spiegeln die Ablehnung gegenüber den USA wider und verstärken mitunter sogar noch den Unmut, den das Land auf sich zieht. In den neunziger Jahren sah es noch so aus, als ob der Rest der Welt seine Geschäftsaktivitäten nach dem "American Way" betreiben wollte: Wir sahen aktive Kapitalmärkte und Unternehmenschefs, die auf die Interessen ihrer Aktionäre eingingen. Diese Amerikanisierung wurde oft einfach als "Globalisierung" bezeichnet.

Dann erfolgte eine Gegenreaktion, die zum großen Teil auf den Zusammenbruch von Großunternehmen wie Enron und auf andere Unternehmensskandale zurückzuführen war. Viele Länder rund um die Welt begannen, sich vom "American Way" der Geschäftsführung abzuwenden. Europäer und Asiaten vertraten wieder energisch die Behauptung, ihr Modell des Kapitalismus´ stelle eine stärkere Verpflichtung gegenüber langfristigen Werten und Visionen dar. Der sogenannte "Shareholder Value" wurde nicht nur als eine launische Modeerscheinung eingestuft, sondern auch als Betrug und Schwindel abgelehnt.

In Kontinentaleuropa und Teilen Asiens existierte schon immer eine Vision von zentralen Wertmaßstäben in Bezug auf Geschäftstätigkeiten, die auf langfristigen Einrichtungen beruhte, vor allem auf der Institution Familie. Tatsächlich spielte die erweiterte Familie selbst im Bereich der Großunternehmen eine zentrale Rolle. Nach einer kürzlichen Erhebung befinden sich 17 der 100 größten Unternehmen in Deutschland in Familienbesitz; in Frankreich sind es 26, in Italien sogar 43.

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