stiglitz271_ANDREW CABALLERO-REYNOLDSAFP via Getty Images_coronavirusvaccines Andrew Caballero-Reynolds/AFP via Getty Images

Patente und die Pandemie

NEW YORK – Man stelle sich eine Welt vor, in der ein globales Netzwerk von Medizinern nach neuen Stämmen eines ansteckenden Virus sucht, ein bestehendes Rezept zur Impfung gegen das Virus regelmäßig aktualisiert und diese Informationen dann Unternehmen und Ländern weltweit zur Verfügung stellt. Man stelle sich zudem vor, diese Arbeit erfolgte ohne Berücksichtigung von Aspekten des geistigen Eigentums und ohne Pharmamonopole, die eine verzweifelte Öffentlichkeit ausnutzen, um ihre Gewinne zu maximieren.

Was wie eine utopische Fantasie klingen mag, beschreibt tatsächlich, wie der Grippeimpfstoff während der letzten 50 Jahre hergestellt wurde. Beim globalen Influenza-Überwachungssystem GISRS kommen zweimal jährlich Fachleute aus aller Welt zusammen, um die neuesten Daten zu auftretenden Grippestämmen zu diskutieren und zu entscheiden, welche Stämme in den Impfstoff jedes Jahres mit aufgenommen werden sollten. Als Netzwerk von Laboratorien in 110 Ländern, das fast ausschließlich von den Regierungen (und teilweise von Stiftungen) finanziert wird, versinnbildlicht das GISRS ein System, das Amy Kapczynski von der Yale Law School als „offene Wissenschaft“ bezeichnet hat.

Weil sich das GISRS ausschließlich auf den Schutz von Menschenleben konzentriert und nicht gewinnorientiert arbeitet, ist es in einzigartiger Weise in der Lage, praktisch verwertbare Erkenntnisse zu sammeln, zu interpretieren und weiterzugeben. Die Vorteile dieses in der Vergangenheit womöglich als selbstverständlich betrachteten Ansatzes werden schnell deutlich.

https://prosyn.org/CKksjbGde