rudd11_Samuel CorumGetty Images_cdcsecretarycoronavirus Samuel Corum/Getty Images

COVID-19 erfordert die Überwindung des Nationalismus

NEW YORK – Kürzlich spazierte ich, nach einem Krankenbesuch bei einem Freund im Bellevue Hospital, die East 29th Street in Manhattan entlang, als ich von einem weißen Mann mittleren Alters aus meinen Gedanken gerissen wurde, der einen alten Chinesen anschrie: „Verschwinde verdammt nochmal aus meinem Land, du chinesisches Stück Scheiße!“ Der alte Mann war sprachlos. So wie auch ich, bevor ich (unter Einsatz der gesamten Bandbreite meines heimatlichen australischen Vokabulars) zurückbrüllte: „Verpiss dich und lass ihn in Ruhe, du weißes rassistisches Stück Scheiße!“  

Die Fußgänger ringsum blieben stehen. Ein junger weißer Mann mit dunklem Haar stürmte auf mich zu. Als instinktiver und gelernter Nicht-Kämpfer machte ich mich gefasst darauf, was wohl kommen würde. Der junge Mann blieb in kurzer Distanz vor mir stehen und sagte: „Danke, dass Sie sich für ihn eingesetzt haben. Dafür habe ich im Irak gekämpft; dass Menschen wie er frei sein können.“

Abgesehen von der problematischen Geschichte des Irak-Krieges ist COVID-19 eine deutliche Mahnung, dass globale Pandemien – wie auch der Klimawandel – vor politischen Grenzen nicht haltmachen. Chinas Erfahrungen mit dem Virus im Januar und Februar dürften sich im März und April in weiten Teilen der Welt wiederholen. Abhängig von unwägbaren Faktoren wie der Lufttemperatur, der relativen Stabilität von Test- und Behandlungssystemen im Bereich öffentlicher Gesundheit sowie den unterschiedlichen Graden finanzieller und wirtschaftlicher Belastbarkeit wird die Zahl der Infektionen schwanken. Auf diese Eventualitäten sollten wir uns intelligent vorbereiten und nicht in irrationale Panik verfallen - - geschweige denn rassistischen Stereotypen nachgeben.   

https://prosyn.org/nM9vGtzde