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Christdemokratie oder illiberale Demokratie?

PRINCETON – Seit Jahren schwelt ein Konflikt zwischen dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und der Europäischen Volkspartei (EVP), der supranationalen Organisation christdemokratischer und gemäßigt rechter Parteien in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Nach langem Zögern hat die EVP Orbáns Fidesz-Partei im vergangenen März suspendiert und entscheidet derzeit darüber, ob sie sie ausschließen soll.

Dafür hat sie eine Menge guter Gründe. Fidesz hat nicht nur die Demokratie und den Rechtsstaat in Ungarn demontiert, sondern zudem die EU als tyrannische Institution verteufelt, die die Europäer angeblich ihrer Freiheit beraubt. Nach der Suspendierung von Fidesz schlug Orbán zurück, indem er argumentierte, er allein sei der wahre Verteidiger der Christdemokratie und seine Kritiker in der EVP hätten sich dem Liberalismus verkauft. Zwar haben sich Konservative auf beiden Seiten des Atlantiks von Orbáns Posieren verführen lassen, doch das Bild, das er projiziert, ist irreführende Werbung.

Es wäre ein Fehler, zu glauben, dass es bei dem Konflikt zwischen Fidesz und EVP überwiegend um politische Prinzipien geht; es geht schlicht und einfach um Macht. Trotzdem ist die Frage, wer sich im Ringen um das Erbe der Christdemokratie durchsetzt, für Europa von großer Bedeutung. Die Christdemokratie ist traditionell die wichtigste hinter dem Projekt der europäischen Einigung stehende politische Kraft.

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