Die WTO-Revolution in China

Der Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation (WTO) ist das bedeutendste Ereignis in der Geschichte des Landes seit Beginn der wirtschaftlichen Öffnung vor einem Vierteljahrhundert. Von der Handelsliberalisierung werden Verbraucher, Kleinunternehmer und ausländische Investoren profitieren. Für die chinesischen Bauern allerdings scheint die Mitgliedschaft in der WTO eine direkte und unmittelbare Bedrohung der enormen Fortschritte zu sein, die seit den Landwirtschaftsreformen unter Deng Xiaoping in den späten siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts erreicht wurden.

Die Angst der chinesischen Bauern ist verständlich, denn sie liegt in der Geschichte und Politik Chinas begründet. Seit der Gründung der Volksrepublik im Jahr 1949 waren die Bauern die am schlechtesten vertretene und am stärksten manipulierte Bevölkerungsgruppe. Die Förderung der Schwerindustrie durch die Kommunisten ging hauptsächlich auf ihre Kosten. Die Mitgliedschaft in der WTO wird allerdings kein Nachteil für die Landwirtschaft sein, denn damit wird die Diskriminierung und Machtlosigkeit der Bauern nicht verstärkt sondern es wird ihr ein Ende bereitet.

Die Bauern waren in der Vergangenheit das Opfer von Täuschungen. Während des Bürgerkrieges in den späten vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurden Millionen Bauern ohne Grundbesitz von den Kommunisten geködert, indem man ihnen eine Landreform in Aussicht stellte. Nach der Gründung der Volksrepublik erhielten sie zwar Land, das ihnen aber wieder genommen wurde, als die neue Führung die Kollektivierung der Landwirtschaft massiv vorantrieb. Die anschließend mit aller Konsequenz durchgezogene Industrialisierungskampagne erreichte zwischen 1958 und 1960 im Großen Sprung nach vorne ihren Höhepunkt. Die Folge war, dass vor allem in den ländlichen Gebieten eine Hungersnot ausbrach, der 30 Millionen Menschen zum Opfer fielen.

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