Chinas Reformen stehen wieder still

Als im vergangenen Juli der 82. Jahrestag der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas näherrückte, hatte es den Anschein, dass der neue Generalsekretär der Partei, Hu Jintao, kurz davor ist, eine ganze Reihe neuer Reformen anzukündigen. Im Rahmen einer Veranstaltung bei der die Verkündung der bestehenden Verfassung von 1982 gefeiert wurde, bekundete Hu Berichten zufolge Interesse an der Stärkung verfassungsrechtlichen Schutzes vor offiziellen Eingriffen in das Leben von Personen und an der Förderung einer umfassenden Gesetzesreform. Angeblich sollte er sogar mehr innerparteiliche Demokratisierung in Betracht ziehen, größere Pressefreiheit, die Stärkung nichtkommunistischer politischer Parteien und im Exil lebenden Dissidenten die Rückkehr zu gestatten.

Diese optimistischen Ansichten wurden weiter bestärkt als chinesische Intellektuelle sogar einige Wissenschaftler im Staatsdienst begannen sich schriftlich und mündlich dafür auszusprechen, kontroverse Urteile der Partei zu historischen Vorfällen (wie dem Massaker am Platz des Himmlischen Friedens) erneut zu prüfen. Es gab zunehmend öffentliche Fürsprache für Landarbeiter (die zu Abermillionen in Chinas Städte abgewandert sind) sowie Rufe nach wesentlichen Verfassungsänderungen.

So begann etwa der Rechtswissenschaftler Cao Siyuan über Verfassungsreformen zu schreiben, sich für diese einzusetzen und entsprechende Konferenzen zu organisieren. Die Tatsache, dass Cao 1989 nach dem Massaker in Beijing inhaftiert und von der Partei ausgeschlossen wurde, Zeit im Ausland mit Vorträgen verbrachte und jetzt ein Beratungsunternehmen für Forschung leitet, schien kein Hinderungsgrund zu sein. Cao achtete sorgfältig darauf, sich im Rahmen eines gemäßigten Reformwillens zu bewegen, rief aber dennoch öffentlich nach Reformen innerhalb von fünf Bereichen der Staatsführung: Verfassung, Gewaltenteilung, Wahlen, politische Parteien und politische Kultur.

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