Chinas Internet-Diktatur

Elf Jahre nach seiner ersten Anbindung an das World Wide Web (WWW) ist Chinas Zugriff auf das Internet noch immer von in den Proxyservern des Landes eingebetteten Firewalls geschützt, die sich als praktischer und undurchdringlicher als die Berliner Mauer erwiesen haben. Mehr noch: Die zunehmende Nachfrage nach Breitbandkapazitäten hat zur Umsetzung eines 800 Millionen Dollar teuren Projektes namens „Jin Dun“ (Goldener Schild) geführt, einem automatischen digitalen System zur öffentlichen Überwachung, dass die kommunistische Herrschaft verlängern wird, indem es der chinesischen Bevölkerung das Recht auf Informationen versagt.

Das dem Goldenen Schild zugrunde liegende Prinzip besagt: „Wo die Tugend einen Fuß wächst, wächst das Laster um zehn.“ Mithilfe von durch die westlichen Nachrichtendienste entwickelten Systemen hat China ein virtuelles Schwert geschmiedet, das droht, den Weg in die Demokratie zu versperren.

Internet-Portale dienen in China vor allem dazu, politische Informationen zu überwachen und auszufiltern. Ihre technischen Funktionen umfassen das Blockieren ausländischer Websites, das Ausfiltern von Inhalten und Schlüsselbegriffen auf Webseiten, die Überwachung von E-Mail-Verkehr und Internet-Cafés, die Umlenkung von PC-Verbindungen, das Aussenden von Computerviren und die Anbindung von Rechnern an die Überwachungssysteme der Ämter für Öffentliche Sicherheit. Statt eine neue Ära der Freiheit einzuläuten, versetzt das Internet die chinesischen Behörden in die Lage, die totalitäre Überwachung des Landes in einer Weise zu perfektionieren, die die Herrscher in George Orwells 1984 wie Waisenknaben aussehen lässt.

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