wei54_Chen JiminChina News Service via Getty Images_chinaolineeducation Chen Jimin/China News Service via Getty Images

Kann China sein Wirtschaftswunder bewahren?

NEW YORK – Chinas jüngste Entscheidung, die strikte Null-Covid-Politik aufzugeben, hat viele zu der Annahme bewogen, dass sich die chinesische Wirtschaft jetzt erholen wird. So hat beispielsweise die Economist Intelligence Unit ihre Prognose für das chinesische BIP-Wachstum des Jahres 2023 auf 5,2 Prozent nach oben revidiert. Die Erholung des Wachstums ist jedoch kein Automatismus und China hat mit mehreren Herausforderungen zu kämpfen. Kurzfristig zählen dazu das schwindende Vertrauen der Unternehmen und Haushalte hinsichtlich ihrer zukünftigen Einkommen, mittelfristig das unzureichende Produktivitätswachstum und langfristig eine ungünstige demographische Entwicklung.

Auf kurze Sicht könnte die Wiederherstellung des Vertrauens wichtiger sein als die Ausweitung der Kreditvergabe. Nach einer längeren Phase wiederholter Lockdowns zögern viele Kleinunternehmen und Beschäftigte in traditionellen Dienstleistungssektoren, die um Arbeitsplätze und Einkommen gefürchtet haben, Anschaffungen zu tätigen. Und nach den jüngsten Einnahmeausfällen sowie angesichts verschärfter regulatorischer Kontrolle im Bildungswesen, in der Technologiebranche und in anderen Sektoren sind zahlreiche Unternehmen vorsichtig mit Investitionen. In einer kürzlich durchgeführten Umfrage unter chinesischen und in China tätigen ausländischen Firmen hat die in Shanghai ansässige China Europe International Business School festgestellt, dass das Geschäftsvertrauen in China auf einen neuen Tiefstand gesunken ist.

Dieser Pessimismus kann selbsterfüllende Wirkung haben. Wenn genügend Unternehmen und Haushalte das Vertrauen verlieren und ihre Ausgaben kürzen, sinkt die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen anderer Unternehmen. Von deren niedrigeren Einkünften wären letztendlich die Zulieferer dieser Unternehmen betroffen. Um diesen Pessimismus-Kreislauf zu durchbrechen, gilt es für die chinesischen Entscheidungsträger, kurzfristig das Vertrauen wiederherzustellen. Allerdings präsentieren sich ihre Möglichkeiten begrenzt. Eine bessere Berechenbarkeit künftiger politischer Maßnahmen wäre überaus hilfreich zur Stärkung des Vertrauens, doch diese Berechenbarkeit lässt sich nicht einfach durch staatliche Verlautbarungen erreichen. Eine Kreditausweitung würde zwar die Gesamtnachfrage ankurbeln, könnte aber die unerwünschte Nebenwirkung haben, die Inflation in die Höhe zu treiben. Unterdessen haben die kostspieligen Covid-19-Tests und Quarantänen Chinas fiskalische Kapazitäten strapaziert.

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