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Die indische Kaste der Kreditunwürdigen

NEU DELHI – Im Jahr 1950 schaffte man im kurz davor unabhängig gewordenen Indien das Kastensystem offiziell ab und verbot die Diskriminierung der auch als „Unberührbare” bekannten Dalits, die auf die unterste Stufe der rigiden gesellschaftlichen Hierarchie verbannt worden waren. Dieser Versuch, historische Fehler zu korrigieren, gründete auf der redlichen kapitalistischen Vision florierender Dalit-Firmen, die ihre Eigentümer auf ein Niveau sozialer und wirtschaftlicher Respektabilität hieven sollten, auf dem die Vorurteile gegen diese Bevölkerungsgruppe schwinden.

Allerdings erwies sich das durch seine 3.000 Jahre alte Geschichte geprägte Kastensystem Indiens als höchst widerstandsfähig. Trotz aller seit beinahe sieben Jahrzehnten dauernder  wohlmeinender Eingriffe der Regierung durchdringt die Kastenidentität nach wie vor alle Aspekte des ländlichen Lebens in Indien, wobei die Dalits mit tief verwurzelten Vorurteilen konfrontiert sind, die ihre Möglichkeiten einschränken, ein besseres Leben für sich und ihre Familien aufzubauen und einen wesentlichen Beitrag zu Indiens Wirtschaft zu leisten.

Die Kasten Indiens sind traditionell durch die Arbeiten definiert, die ihre Angehörigen verrichten. Im Falle der Dalits handelt es sich dabei typischerweise um härteste Arbeit in Bergwerken und Steinbrüchen, im Anbau scharfer Gewürze oder in Ziegelfabriken. Niedrige oder unhygienische Arbeiten – wie die Reinigung verstopfter Abwasserrohre, die Müllbeseitigung oder die Entfernung von Fleischresten an Knochen von Tierkadavern – werden größtenteils von Dalits übernommen.  

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