pa1812c.jpg

Kalifornien ausgeträumt

Berkeley – Die neue Regierung Obama verfügt zwar über die weltweite Aufmerksamkeit, doch die Zukunft Amerikas wird vielleicht – wie so viele Male zuvor – in und von  seinem größten Bundesstaat geschrieben. Kalifornien, einst der Leitstern für amerikanischen Optimismus und amerikanische Errungenschaften, ist zum Abbild der Schwierigkeiten geworden, mit denen die Vereinigten Staaten konfrontiert sind – und veranschaulicht wie viel mehr innenpolitisch noch schief gehen kann.

Als bevölkerungsreichster und wohlhabendster der 50 amerikanischen Staaten übt  Kalifornien seit langem große Anziehungskraft auf talentierte und geschäftstüchtige Menschen aus aller Welt aus, die ihre Chance nutzen wollen. Einer von vier Einwohnern Kaliforniens wurde im Ausland geboren. Die beiden berühmtesten Industrien Kaliforniens, Silicon Valley und Hollywood, sind auf die Talente angewiesen, die Arbeitskräfte aus dem Ausland mitbringen. Sein solider Agrarsektor exportiert gewaltige Mengen Nahrungsmittel und profitiert vom wachsenden Appetit der Verbraucher in Entwicklungsländern.

Dennoch koexistiert Kaliforniens technologische und unternehmerische Macht – für sich allein betrachtet wäre der Bundesstaat die achtgrößte Volkswirtschaft der Welt – mit einem dysfunktionalen politischen System, das es an den Rand des finanziellen Ruins getrieben hat. In einer speziellen Wahl am 19. Mai haben sich die Wähler des Staates gegen eine Reihe von Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen ausgesprochen, die für einen Ausgleich seines Haushalts notwendig sind. Jetzt steht Kalifornien entweder eine peinliche Rettungsaktion durch die Regierung bevor oder eine längere Phase, in der Richter das Sagen haben, die nach kalifornischem Recht die Macht besitzen, Tarifabschlüsse zu annullieren, Verträge außer Kraft zu setzen und die finanziellen Verpflichtungen des Staates generell umzustrukturieren.

https://prosyn.org/31si1wWde