d16df00346f86f380efa841e_dr3541c.jpg Dean Rohrer

Blasen erkennen

NEW HAVEN: Als jemand, der über die Spekulation am Markt geschrieben hat, werde ich oft gefragt, wo sich die nächste große Spekulationsblase entwickeln dürfte. Wieder auf dem Häusermarkt? Oder auf dem Aktienmarkt?

Wissen weiß ich es nicht, aber ich habe eine gewisse Ahnung. Niemand kann Blasen präzise vorhersagen. Aus meiner Sicht sind Blasen gesellschaftliche Epidemien, die sich durch eine Art interpersoneller Ansteckung ausbreiten. Eine Blase bildet sich, wenn die Ansteckungsrate für Ideen, die eine Blasenbildung unterstützen, steigt. Doch hängen diese Ansteckungsraten von Denkmustern ab, die schwer zu beurteilen sind.

Große Spekulationsblasen sind selten. (Kleine Blasen, etwa was den Kurs einzelner Aktien angeht, passieren ständig und eignen sich nicht als Antwort auf unsere Frage.) Und weil große Blasen viele Jahre lang bestehen, muss man seine Vorhersagen viele Jahre in die Zukunft hinein machen, was ein bisschen so ist, als wolle man vorhersagen, wer nach der überübernächsten Wahl die Regierung führt.

Aber einige Orte scheinen die Blasenbildung ein wenig stärker zu begünstigen als andere. Der Aktienmarkt ist der erste logische Ort, den man sich ansehen sollte, denn er ist stark durch fremdfinanzierte Investments gekennzeichnet – und kann historisch auf viele Blasen zurückblicken. Im vergangenen Jahrhundert gab es drei kolossale Aktienmarktblasen: die 1920er, die 1960er und die 1990er Jahre. Im Gegensatz hierzu gab es in den USA in den letzten 100 Jahren nur eine Blase auf dem Häusermarkt: das mit dem Jahr 2000 beginnende Jahrzehnt.

Wir haben seit dem Tiefpunkt der Aktienmärkte 2009 eine enorme Erholung erlebt. Der S&P 500 Index ist seit dem 9. März jenes Jahres real um 87% gestiegen. Doch während die Geschichte der Aktienmarkt-Vorhersagen zu sehr von Fehlprognosen durchsetzt ist, als dass man entscheiden könnte, ob diese Erholung noch sehr viel länger anhalten wird, sieht dies nicht wie eine Blase aus, sondern eher wie das Ende einer Depressionspanik. Der Anstieg der Aktienkurse kommt nicht als ansteckende „neue Ära“ daher, sondern eher als ein Seufzer der Erleichterung.

Genauso sind die Häuserpreise während der letzten ein bis zwei Jahre an mehreren Orten gestiegen, insbesondere in China, Brasilien und Kanada, und könnten an vielen weiteren Orten noch weiter in die Höhe getrieben werden. Doch steht in Ländern, wo gerade eine Häuserblase geplatzt ist, jetzt keine neue bevor. Eine konservative Politik der Regierungen dürfte zu einer Senkung der Eigenheimsubventionen führen, und die derzeitige Stimmung am Markt scheint einer Blasenbildung nicht förderlich.

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Wahrscheinlicher scheint eine Fortsetzung des derzeitigen Preisbooms bei den Rohstoffen, denn die Story hier hat mehr von einer „neuen Ära“. Zunehmende Ängste über die globale Erwärmung und ihre Auswirkung auf die Lebensmittelpreise oder über die kalten, schneeverwehten Winter auf der Nordhalbkugel und ihre Auswirkungen auf die Brennstoffpreise sind ansteckende Storys. Sie sind sogar mit der Topstory des Tages verknüpft, den Revolutionen im Nahen Osten, die laut manchen Darstellungen durch die Unzufriedenheit der Bevölkerungen über hohe Lebensmittelpreise ausgelöst wurden – und die ihrerseits einen weiteren Anstieg der Ölpreise auslösen könnten.

Mein Geheimtipp für eine Blase während des nächsten Jahrzehnts oder so ist jedoch Ackerland – und das nicht nur aufgrund der Geschichten der letzten Monate über einen Boom bei den Preisen für Ackerland in den USA und in Großbritannien.

Natürlich ist Ackerland sehr viel weniger wichtig als andere spekulative Anlagen. So hatte etwa das ganze Ackerland in den USA 2010 nur einen Gesamtwert von 1,9 Billionen Dollar, im Vergleich zu 16,5 Billionen für den US-Aktienmarkt und 16,6 Billionen für den US-Eigenheimmarkt. Und große Blasen beim Ackerland sind recht selten: In den USA gab es während des gesamten 20. Jahrhunderts nur eine, während der großen Überbevölkerungsangst der 1970er Jahre.

Doch scheint Ackerland zumindest an bestimmten Orten derzeit die ansteckendste Geschichte über eine „neue Ära“ zu sein. Es gab dort kürzlich einen Boom, 74% real in den USA innerhalb eines Jahrzehnts, der 2008 seine Preisspitze erlebte. Und die hochgradig ansteckende Story von der globalen Erwärmung malt ein Bild von Lebensmittelverknappung und Veränderungen beim Landwert in unterschiedlichen Teilen der Welt, das das Interesse der Anleger weiter stärken könnte.

Zudem stellen sich die Menschen heutzutage leicht vor, dass sich die Märkte für Häuser und für Ackerland immer im Einklang bewegen, weil die Preise für beide Anfang der 2000er Jahre einen Boom erlebten, der vielen noch lebhaft in Erinnerung ist. Doch von 1911 bis 2010 lag die Korrelation zwischen dem jährlichen realen Preiswachstum von Eigenheimen und Ackerland bei lediglich 5%, und die aktuellen Preisdaten für Farmen zeigen einen deutlich geringeren Rückgang als bei den Häuserpreisen. Bis 2010 waren die realen Preise für Farmen in den USA gegenüber ihrem Höchststand 2008 um lediglich 5% gefallen, verglichen mit dem 37%-gen Rückgang der realen Häuserpreise seit dem Höchststand 2006.

Der Boom bei den Häuserpreisen war nicht viel mehr als ein Lieferengpass in der Bauindustrie, eine Unfähigkeit, die Investment-Nachfrage schnell genug zu befriedigen, und wurde (bzw., an einigen Orten: wird) durch eine Ausweitung des Angebots beseitigt. Im Gegensatz hierzu gab es keine Zunahme beim Angebot an Ackerland, und die Storys, die einen Ausbruch der Begeisterung dafür unterstützen würden, liegen vor, genau wie in den 1970er Jahren in USA, als eine ähnliche Panik bezüglich der Lebensmittelpreise die einzige Spekulationsblase beim Ackerland des letzten Jahrhunderts auslöste.

Allerdings dürfen wir die Schwierigkeit, Blasen vorherzusagen, nicht aus den Augen verlieren. Und für wagemutige Anleger reicht es nicht, die richtige Blase zu finden, an die sie sich hängen können. Sie müssen außerdem versuchen, zu erkennen, wann sie Kasse machen und ihr Geld woanders investieren sollten.

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