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Werden die Briten wirklich einwanderungsmilder?

LONDON – Die gängige Meinung im Vereinigten Königreich ist neuerdings, dass die Einstellungen bezüglich der Einwanderung milder werden. Eine Überschrift in der Financial Times vom Juli lautete: „Steile Abnahme der Negativität über die Einwanderung in Brexit-Britannien“. In ähnlicher Weise mutmaßt ein Bericht des UK Migration Advisory Committee, dass „das Vereinigte Königreich sich in der Position wiederfinden könnte, dass es die Freizügigkeit beendet, gerade als die öffentliche Sorge über die daraus herrührenden Migrationsströme nachlässt“.

Dies ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass es erst zwei Jahre her ist, seit die öffentliche Reaktion auf die Einwanderung der „Leave“-Kampagne im Brexit-Referendum den Sieg beschwerte. Dabei hat es keine wesentlichen Änderungen bei der Einwanderungspolitik gegeben. Großbritannien ist immer noch in der Europäischen Union, und EU-Bürger können nach wie vor ungehindert in Vereinigte Königreich ziehen. Und auch wenn das Zuwanderungsniveau etwas gesunken ist, bleibt es im historischen Vergleich ungewöhnlich hoch und übersteigt das Regierungsziel für die Nettoeinwanderung („weniger als Zehntausende“) deutlich.

Trotzdem haben sich die Ergebnisse der Meinungsumfragen unzweifelhaft geändert. Die Umfrageteilnehmer äußern sich inzwischen positiver über die wirtschaftlichen und kulturellen Auswirkungen der Einwanderung, und weniger Menschen nennen heute die Einwanderung als eines der wichtigsten Probleme, vor denen das Vereinigte Königreich steht. Zudem ist dieser Trend das politische und gesellschaftliche Spektrum übergreifend erkennbar, und zwar gleichermaßen bei Brexit-Gegnern und Brexit-Befürwortern. Und während dieser Trend tatsächlich seit der Jahrtausendwende zu beobachten war, hat er seit dem Brexit-Votum an Dynamik gewonnen.

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