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Der Kampf ums Vereinigte Königreich

BRÜSSEL – Die Leave-Kampagne der Brexit-Befürworter wurde mit dem Argument beworben „die Kontrolle zurückerlangen“ zu wollen, indem die „Souveränität“ des britischen Parlamentes wiederhergestellt werde. Es ist daher zutiefst ironisch, dass einer der ersten Schritte der EU-Austrittsbefürworter nach ihrer Machtübernahme darin besteht, das Parlament zu beurlauben und Debatten über den bevorstehenden Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union am 31. Oktober zu verhindern.

Der britische Premierminister Boris Johnson ignoriert den Willen des Parlaments, in dem die Mehrheit der Abgeordneten ein No-Deal-Szenario ablehnt, und verfolgt nun die Taktik die Stimmen der Anhänger der europafeindlichen Brexit-Partei für sich zu gewinnen, damit er den Brexit um jeden Preis durchsetzen kann. Zu diesem Zweck nimmt er einen umfassenden politischen Krieg in Kauf, der die britische parlamentarische Demokratie langfristig zu untergraben droht.

Die sich verschärfende politische Krise Großbritanniens ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass das Parlament das von Johnsons Vorgängerin Theresa May und der Europäischen Union ausgehandelte Austrittsabkommen nicht ratifiziert hat. Das Fehlen einer kodifizierten Verfassung in Großbritannien in Verbindung mit einem Grad an politischer Polarisierung, der es heute mit dem der Vereinigten Staaten aufnehmen kann, erschwert eine Einschätzung, wie sich die aktuelle Situation weiter entwickeln wird. Alle Prognosen finden im luftleeren Raum statt, denn niemand kann wissen, wie es ausgehen wird. Großbritannien sieht sich einem permanenten Zustand der Unsicherheit gegenüber, und das allein ist für jedes Land destabilisierend.

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