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Boris Johnson, der Konterrevolutionär

LONDON – Wenn es stimmt, dass sich die Geschichte wiederholt – und zwar nach der Tragödie als Farce – dann  kommt als Nächstes Boris Johnson, ein quecksilbriger Politiker, der die inneren Wiedersprüche unserer Zeit verkörpert. Johnson ist ein Volkstribun, der mit den Privilegien der obersten 1 % aufwuchs, ein Einwandererkind, das für die Schließung der Grenzen warb, ein Konservativer, der die politische Ordnung umstürzen will, ein belesener Mann, der das Expertentum verspottet, und ein Kosmopolit, der Schwarze salopp als „Negerlein“ bezeichnet. Johnson hat mehr als jeder andere dafür getan, Großbritanniens Zukunft zu begraben, doch seine Ultraflexibilität könnte sich noch als Rettung des Landes erweisen.

Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach seiner Ernennung zum britischen Außenminister verglich Johnson das Brexit-Votum mit der Französischen Revolution. Bei der von der französischen Botschaft ausgerichteten Feier anlässlich des Sturms auf die Bastille provozierte er Buhrufe, als er das Referendum als „großen öffentlichen Aufstand gegen ein lähmendes bürokratisches Ancient Regime (sic), dessen demokratische Legitimität alles andere als offensichtlich geworden war“, lobte.

Doch ist das Brexit-Votum mit seinem Versprechen, das Großbritannien vergangener Tage wiederherzustellen, weniger Revolution als Konterrevolution. Boris und seine Bande von Brexiteers haben mehr gemein mit Louis Napoleon Bonaparte, der die französische Republik stürzte, um eine neue Monarchie zu errichten, als mit Danton oder Robespierre.

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