Blairs europäisches Dilemma

Tony Blair hat einen bemerkenswerten dritten Wahlsieg in Folge erreicht. Doch ist seine politische Position aufgrund seiner deutlich verringerten Mehrheit im Unterhaus und seines beschädigten persönlichen Ansehens ernsthaft geschwächt. Daher hat er keine gute Stellung, um es mit den kommenden Herausforderungen aufzunehmen, von denen die neue Verfassung der Europäischen Union die schwierigste darstellt.

Die Verfassung, die letztes Jahr von den 25 Mitgliedsstaaten beschlossen wurde, stellt an sich kein großes Problem dar. Sie führt einige bedeutsame Verbesserungen bei Mehrheitsabstimmungen im Ministerrat ein und gibt dem Europäischen Parlament mehr Machtbefugnisse. Sie enthält eine Charta der Grundrechte. Sie könnte dazu beitragen, die Außenpolitik der Mitgliedsstaaten zu harmonisieren. Aber sie ist keine revolutionäre Erklärung.

Nach der üblichen britischen Praxis bei Verfassungsfragen würde von der Regierung erwartet, dass sie diese Verfassung durch eine Abstimmung im Unterhaus ratifiziert. Bis zu den letzten Parlamentswahlen hätte die große Regierungsmehrheit dazu mehr als ausgereicht. Doch dachte Blair, der durch die Kontroverse um den unpopulären und möglicherweise illegalen Krieg im Irak in Bedrängnis geraten war, er könnte Ärger in Westminster vermeiden, indem er die Ratifizierung bis 2006 verschiebt (d. h. auf einen schön weit entfernten Zeitpunkt in der Zukunft) und vorschlägt, dass sie per Volksabstimmung durchgeführt wird.

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