Barbaren vor den Toren der EU?

BRÜSSEL – Die Eurozone sieht sich einer fundamentalen Krise gegenüber, zu deren Lösung die Attacken auf die Spekulanten nichts beitragen werden. Der Rat der Europäischen Union musste den finanziell angeschlagenen Mitgliedsländern hunderte Milliarden Euros in Aussicht stellen, obwohl die europäische Wirtschaft insgesamt überhaupt nicht in der Krise steckt. Im Gegenteil: Die meisten Umfragen und Wirtschaftsindikatoren weisen auf einen starken Aufschwung hin, wobei das eine Land, das sich wirklich in ernsthaften Schwierigkeiten befindet – nämlich Griechenland -  lediglich für 3 % des BIP der Union verantwortlich ist.

Dennoch stellt die Krise die Europäische Union vor eine beinahe existenzielle Herausforderung – und erfordert auch enorme Summen, – weil sie das wichtigste Grundprinzip europäischen Regierens betrifft: das Wesen des Staates. Der Fall Griechenland hat die ebenso simple wie grundlegende Frage aufgeworfen: Kann man einen Mitgliedsstaat der EU pleite gehen lassen?

Eine Meinung besagt, dass der Staat sakrosankt sei: Die EU muss intervenieren und dem auf Abwege geratenen Mitglied helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Dabei geht man allerdings davon aus, dass sich alle Mitgliedsstaaten an die ökonomischen Grundwerte der Union einer sorgfältigen Haushaltspolitik und Marktreform halten. Probleme könnten nur durch unvorhergesehene Schocks, zeitweilige lokale politische Schwierigkeiten und – der Lieblings-Sündenbock – durch irrationale Märkte entstehen.

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