BERLIN – Angela Merkel war bisher nicht als bedeutende oder gar mitreißende Rednerin bekannt, sondern stand eher in dem Ruf, ihre Zuhörerschaft sanft in den Schlaf zu sprechen.
Vor wenigen Tagen allerdings hat sich alles geändert. Pfingsten war nicht mehr weit und es stellte sich sofort die Frage, ob es am Ende der Heilige Geist gewesen war, der die Rednerin zu ihrer Glanzleistung beseelt hatte, oder ob diese nicht wesentlich irdischere Ursachen hatte, nämlich das längere Beisammensein mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump auf zwei Gipfeltreffen von NATO und G8. Gewiss spielte auch der heraufziehende Bundestagswahlkampf eine Rolle. Aber man würde es sich viel zu einfach machen, wenn man Merkels Rede als „Goslar im Bierzelt“ abtäte. (Im Jahr 2005 hatte in Goslar Bundeskanzler Gerhard Schröder jede deutsche Beteiligung am Irakkrieg ausgeschlossen, egal wie der Sicherheitsrat entscheiden würde.) Merkels Sorge geht weit darüber hinaus und ist echt.
Entsprechend des minimalistischen Stils der Kanzlerin handelte es sich nur um einen einzigen, längeren Satz: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück weit vorbei und deshalb kann ich nur sagen, wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen.“
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Joseph S. Nye, Jr.
considers how China undermines its own soft power, traces the potential causes of a war over Taiwan, welcomes Europe’s embrace of “smart” power, and more.
Around the world, people increasingly live with the sense that too much is happening, too fast. Chief among the sources of this growing angst are the rise of artificial intelligence, climate change, and Russia's war in Ukraine – each of which demands urgent attention from policymakers and political leaders.
calls attention to the growing challenges posed by AI, climate change, and the war in Ukraine.
BERLIN – Angela Merkel war bisher nicht als bedeutende oder gar mitreißende Rednerin bekannt, sondern stand eher in dem Ruf, ihre Zuhörerschaft sanft in den Schlaf zu sprechen.
Vor wenigen Tagen allerdings hat sich alles geändert. Pfingsten war nicht mehr weit und es stellte sich sofort die Frage, ob es am Ende der Heilige Geist gewesen war, der die Rednerin zu ihrer Glanzleistung beseelt hatte, oder ob diese nicht wesentlich irdischere Ursachen hatte, nämlich das längere Beisammensein mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump auf zwei Gipfeltreffen von NATO und G8. Gewiss spielte auch der heraufziehende Bundestagswahlkampf eine Rolle. Aber man würde es sich viel zu einfach machen, wenn man Merkels Rede als „Goslar im Bierzelt“ abtäte. (Im Jahr 2005 hatte in Goslar Bundeskanzler Gerhard Schröder jede deutsche Beteiligung am Irakkrieg ausgeschlossen, egal wie der Sicherheitsrat entscheiden würde.) Merkels Sorge geht weit darüber hinaus und ist echt.
Entsprechend des minimalistischen Stils der Kanzlerin handelte es sich nur um einen einzigen, längeren Satz: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück weit vorbei und deshalb kann ich nur sagen, wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen.“
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