a2b7d20346f86fa005528400_pa1533c.jpg Paul Lachine

Die amerikanische Macht im 21. Jahrhundert

CAMBRIDGE, MASS.: Der National Intelligence Council der USA geht davon aus, dass sich Amerikas Dominanz bis 2025 „deutlich vermindert“ haben wird und dass der einzige Bereich anhaltender amerikanischer Überlegenheit – die militärische Macht des Landes – in der zunehmend auf Wettbewerb beruhenden Welt der Zukunft weniger bedeutsam sein wird. Der russische Präsident Dmitri Medwedew hat die Finanzkrise des Jahres 2008 als Anzeichen dafür bezeichnet, dass Amerikas globale Führung dem Ende entgegen geht. In Kanada behauptet der Führer der oppositionellen Liberalen, Michael Ignatieff, dass die Macht der USA ihren Zenit überschritten hat. Wie können wir erkennen, ob diese Vorhersagen stimmen?

Man sollte sich vor den irreführenden Metaphern eines organischen Verfalls hüten. Länder haben, anders als Menschen, keine vorhersehbare Lebensspanne. Als etwa Großbritannien Ende des 18. Jahrhunderts seine amerikanischen Kolonien verlor, beklagte Horace Walpole Großbritanniens Schwächung auf das Maß eines „so unbedeutenden Landes wie Dänemarks oder Sardiniens.“ Was er nicht vorhersah, war, dass die Industrielle Revolution Großbritannien ein zweites Jahrhundert sogar noch größerer Dominanz bescheren würde.

Rom blieb nach dem Höhepunkt seiner Macht noch für mehr als drei Jahrhunderte dominant. Und selbst dann unterlag es keinen anderen Staat, sondern kam durch tausende ihm durch verschiedenste Barbarenstämme zugefügter Wunden zu Tode. All den modischen Vorhersagen zum Trotz, wonach China, Indien oder Brasilien die USA in den kommenden Jahrzehnten überflügeln könnten, könnte der klassische Übergang der Macht zwischen großen Staaten ein geringeres Problem sein als der Aufstieg moderner Barbaren – nichtstaatlicher Akteure. In einer informationsbasierten Welt der Cyberunsicherheit könnte eine Streuung der Macht eine größere Bedrohung sein als ein Übergang der Macht.

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