Amerikanische Außenpolitik nach dem Irak

Was kommt nach dem Irak? Welche Lehren werden die Vereinigten Staaten für ihre zukünftige Außenpolitik ziehen, wenn Präsident George W. Bushs gegenwärtige „Überschüttung“ des Iraks mit Truppen kein Ergebnis erzielt, das als „Sieg“ bezeichnet werden kann? Werden sie sich inneren Angelegenheiten zuwenden wie nach ihrer Niederlage in Vietnam vor drei Jahrzehnten? Werden sie der Verbreitung der Demokratie den Rücken kehren und sich einer engen, realistischen Sicht ihrer Interessen zuwenden? Während die Diskussion in Washington auf den Irak fixiert ist, stellt eine Reihe von aufmerksamen ausländischen Beobachtern diese längerfristigen Fragen.

Analytiker und Experten haben sich oft in Bezug auf Amerikas Position in der Welt getäuscht. Zum Beispiel herrschte vor zwei Jahrzehnten die Meinung vor, dass die USA im Niedergang begriffen seien. Ein Jahrzehnt später, nach dem Ende des Kalten Kriegs, war die neue gängige Meinung, dass die Welt unter der unipolaren Vorherrschaft Amerikas stehe. Einige neokonservative Experten zogen den Schluss, dass die USA so mächtig seien, dass sie alles beschließen könnten, was sie für richtig hielten, und die anderen folgen würden. Charles Krauthammer feierte seine Sichtweise als „den neuen Unilateralismus“, der die Regierung Bush sogar vor den Anschlägen vom 11. September 2001 stark beeinflusst hat.

Doch beruhte der neue Unilateralismus auf einem großen Missverständnis des Wesens der Macht in der Weltpolitik. Macht ist die Fähigkeit, die Ergebnisse zu erzielen, die man haben will. Ob der Besitz von Ressourcen derartige Ergebnisse bringt, hängt vom Zusammenhang ab. Eine große, moderne Panzerarmee ist z. B. eine leistungsstarke Ressource, wenn ein Krieg in einer Wüste ausgetragen wird, nicht jedoch, wenn er in einem Sumpf ausgetragen wird – wie Amerika in Vietnam feststellte. In der Vergangenheit wurde angenommen, dass militärische Macht die meisten Fragen dominiere, aber in der heutigen Welt gibt es vollkommen unterschiedliche Machtzusammenhänge.

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