Die Zeit nach Kyoto

Jetzt ist das Kyoto-Protokoll für seine 126 Mitgliedsländer in Kraft getreten. Nun ist es Zeit darüber nachzudenken, wie man alle Länder, einschließlich der größten Treibhausgas-verursacher, an den Verhandlungstisch bringen könnte, um über die Zeit nach dem Auslaufen des Vertrages im Jahr 2012 zu sprechen. Genau das tat die Europäische Kommission vor kurzem, als sie ihre erste Strategie für die Post-Kyoto-Arä vorlegte, die der Europäische Rat im März diskutieren wird.

Während mit dem Kyoto-Protokoll nur eine bescheidene Reduktion der Kohlenstoffemissionen in den Industrieländern erreicht wird – nämlich 5,2 % zwischen 2008 und 2012 im Vergleich zu den Werten des Jahres 1990 und mit verschiedenen Zielwerten für einzelne Länder – kann mit nachhaltigen Bestrebungen zur Entwicklung und Erhaltung unseres Planeten ein echter Fortschritt erreicht werden.

Zunächst allerdings müssen alle Länder den Klimaschutz in ihr politisches Programm aufnehmen und ihre Gebarung in den Schlüsselbereichen wie Energie, Infrastruktur und Transport verbessern. Anders gesagt, wir müssen im Einklang mit der Erkenntnis handeln, dass der Klimawandel und seine Auswirkungen auf die Menschen in reichen wie in armen Ländern eine Bedrohung der globalen Sicherheit bleibt.

Letzten Endes wird der langfristige Ansatz wahrscheinlich ein regelgebundenes System, ein Anreizsystem sowie Investitionen in technologische Veränderungen einschließen. Die Anpassungsmechanismen auf nationaler Ebene und deren angemessene finanzielle Dotierung werden zunehmend als Hauptthema anerkannt werden. Die Auseinandersetzung mit den Auswirkungen des Klimawandels und die Bestrebungen zur Emissionsreduktionen sollten sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern ergänzen.

Der Blick in die Zukunft einer Welt nach Kyoto bietet uns die Gelegenheit, einen neuen Dialog zu starten und neue Optionen hinsichtlich des Klimawandels in Erwägung zu ziehen. Die Länder könnten sich das ehrgeizigere Ziel setzen, die langfristigen Veränderungen der Erdtemperatur zu begrenzen und anschließend Emissionsrechte so zuteilen, dass der Temperaturanstieg letzten Endes auf einem akzeptablen Niveau bleibt. Dazu bedarf es höherer Investitionen in Forschung und Entwicklung im Bereich Energie, die zu neuen und verbesserten Technologien führen. Dieser Prozess muss von stärkeren öffentlich-privaten Partnerschaften unterstützt werden.

Bis jetzt waren die reichen Länder, obwohl dort nur 15 % der Weltbevölkerung leben, für 75 % des weltweiten Kohlendioxid-Ausstoßes (CO2) und daher für den Großteil der Umweltschäden verantwortlich. Am stärksten gefährdet sind aber die Entwicklungsländer und daher die Ärmsten dieser Welt. Es ist unrealistisch, die armen Länder, wo mehr als 1,6 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberer Energie und Technologie haben, zu bitten, die Kosten für einen dringend benötigten Technologiewandel zu übernehmen.

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Gemeinsam mit Partnern unterstützt die Weltbank Finanzstrategien, die den Entwicklungsländern helfen sollen, die durch den Klimawandel entstehenden Kosten zu tragen. Bis heute sind über 1 Milliarde Dollar in Form von Zuwendungen der Global Environment Facility (GEF) und 8 Milliarden Dollar an Kofinanzierungen in Programme im Zusammenhang mit dem Klimawandel geflossen.

Während die Regulierungsmechanismen des Kyoto-Protokolls und des Programms für den Europäischen Emissionshandel zur Etablierung eines aufstrebenden Marktes für den Handel mit Emissionsrechten beitrugen, äußern sich interessierte Gruppen besorgt über die unmittelbare Zukunft. Ohne über das Jahr 2012 hinausgehende Regulierungsmaßnahmen würden sich nach 2006/2007 keine Gelegenheiten für projektgebundene Transaktionen mehr ergeben.

Angesichts der langen Vorlaufzeit zwischen der Vorbereitung eines Projekts und dem ersten Nutzen einer Emissionsreduktion haben die Projektentwickler nur ein paar Jahre Zeit, bevor die in diesem Zusammenhang geleisteten Zahlungen keinen sinnvollen Beitrag mehr zur Projektfinanzierung im aktuellen Kontext liefern. Die Entwicklung von Infrastrukturprojekten ist ein langer Prozess, bei dem von der Darlegung über die Genehmigung, Finanzierung und den Bau bis zur ersten bestätigten Reduktion der Kohlenstoffemissionen 3-7 Jahre vergehen können.

Deshalb müssen Projekte bis spätestens 2007 betriebsbereit sein. Die Weltbank war maßgeblich daran beteiligt, das so genannte Carbon Finance als praktikables Entwicklungsinstrument zu fördern und die Beteiligung des privaten Sektors am Markt zu erleichtern. Die Bank konzentriert sich darauf, die Interessen der Kreditnehmer zu vertreten und ihnen dabei zu helfen, im Einklang mit deren eigenen Prioritäten, Assets für den Emissionshandel zu entwickeln.

Ohne ein Bekenntnis der Regierungen, die Treibhausgase auch über das Jahr 2012 hinaus zu reduzieren wird der Emissionsmarkt allerdings unsicher bleiben und der – für den Markt lebenswichtige - private Sektor wird seine Teilnahme daran wahrscheinlich auch nicht in sinnvoller und nachhaltiger Weise ausbauen. Laut einer jüngst für die Weltbank durchgeführten Umfrage unter Unternehmen, die an Carbon Finance interessiert sind, erklärte nur ein Fünftel der Befragten Interesse am Kauf von Emissionsreduktionen nach 2012.

Jetzt haben wir die Chance, vorausschauend zu agieren und die Weltgemeinschaft – ohne Ausnahme, aber mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten – zur Beteiligung aufzurufen, um eine sicherere Welt zu schaffen, in der die Risiken der Umweltverschmutzung und sozialer Konflikte vermieden werden, zu denen es durch Untätigkeit kommen könnte.

https://prosyn.org/xwfvAKKde