c70c660446f86f380e51a228_pa1151.jpg Paul Lachine

Große Chance für Kleinbauern

NEW YORK – Die 20-Milliarden-Dollar-Initiative der G-8 für Kleinbauern, die beim jüngsten Gipfel der Gruppe im italienischen L’Aquila ins Leben gerufen wurde, ist potenziell ein historischer Durchbruch im Kampf gegen Hunger und extreme Armut. Bei einer seriösen Verwaltung der neuen Mittel wird die Nahrungsmittelproduktion in Afrika in die Höhe schnellen. Tatsächlich könnte die neue Initiative zusammen mit anderen in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Infrastruktur der bislang größte Schritt sein, um die Millenniums-Entwicklungsziele zu erreichen – den international beschlossenen Versuch, extreme Armut, Krankheit und Hunger bis 2015 zu halbieren.

Von 2002 bis 2006 leitete ich für den damaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan das Millenniumsprojekt der Vereinten Nationen, das darauf ausgerichtet war, die Millenniums-Entwicklungsziele zu erreichen. Ein Eckpfeiler des Projekts waren „Kleinbauern“, d. h. Bauernfamilien in Afrika, Lateinamerika und Asien, die auf Betrieben von ungefähr einem Hektar Land oder weniger arbeiten. Sie zählen zu den ärmsten Haushalten in der Welt und ironischerweise auch zu den hungrigsten, obwohl sie Nahrungsmittelproduzenten sind.

Sie hungern, weil sie sich kein Hochertragssaatgut, keine Düngemittel, Bewässerungsanlagen und andere Werkzeuge kaufen können, die zur Steigerung der Produktivität notwendig sind. Infolgedessen ist ihre Ernte dürftig und unzureichend für ihren Lebensunterhalt. Ihre Armut führt zu geringer landwirtschaftlicher Produktivität, und geringe landwirtschaftliche Produktivität vergrößert ihre Armut. Es ist ein Teufelskreis, der in der Fachsprache als Armutsfalle bekannt ist.

Die Hunger Task Force des UN-Millenniumsprojekts, die von zwei weltweit führenden Wissenschaftlern geleitet wird, M. S. Swaminathan und Pedro Sanchez, hat untersucht, wie dieser Teufelskreis durchbrochen werden kann. Die Hunger Task Force stellte fest, dass Afrika seine Nahrungsmittelproduktion wesentlich steigern könnte, wenn den Kleinbauern in Form landwirtschaftlicher Einsatzgüter geholfen würde. Das Millenniumsprojekt empfahl eine große Erhöhung der globalen Finanzmittel zu diesem Zweck. Vor dem Hintergrund dieser Arbeit und ähnlicher wissenschaftlicher Ergebnisse rief Annan 2004 zu einer Grünen Revolution in Afrika auf, basierend auf einer erweiterten Partnerschaft zwischen Afrika und den Geberländern.

Viele von uns, insbesondere der derzeitige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, haben hart daran gearbeitet, dies möglich zu machen, wobei Ban wiederholt die besondere Notlage hervorhob, die durch die globalen Nahrungsmittel-, Finanz- und Energiekrisen der letzten beiden Jahre entstanden ist. Die Ankündigung der G-8 spiegelt diese jahrelangen Bemühungen und selbstverständlich den Auftrieb wider, den die Führung des US-Präsidenten Barack Obama, des spanischen Ministerpräsidenten José Luis Zapatero, des australischen Premierministers Kevin Rudd, des Weltbankpräsidenten Robert Zoellick, des EU-Kommissars Louis Michel, des EU-Abgeordneten Thijs Berman und anderer gibt.

Jetzt geht es vor allem darum, dass diese Bemühungen funktionieren. Die Lehren aus der der Geschichte sind eindeutig. Lässt man den Kleinbauern Saatgut und Düngemittel zu hoch subventionierten Preisen (oder in manchen Fällen sogar kostenlos) zukommen, so wird dies einen bleibenden Unterschied machen. Nicht nur werden die Nahrungsmittelerträge kurzfristig steigen, sondern die landwirtschaftlichen Haushalte werden mithilfe ihrer höheren Einnahmen und ihrer besseren Gesundheit alle möglichen Vermögenswerte und Vorteile ansammeln: Bankguthaben, Bodennährstoffe, Nutztiere sowie Gesundheit und Bildung für ihre Kinder.

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Diese Steigerung ihres Vermögens macht es wiederum möglich, dass lokale Kreditmärkte wie Mikrofinanzinstitute ihre Arbeit aufnehmen. Die Bauern können entweder mit ihrem eigenen Guthaben oder aufgrund ihrer verbesserten Kreditwürdigkeit Einsatzgüter kaufen.

Nun wurde ein Konsens hinsichtlich der Notwendigkeit erreicht, den Kleinbauern zu helfen, doch gibt es weiterhin Hindernisse. Das Hauptrisiko besteht vielleicht darin, dass die „Hilfsbürokratien“ jetzt übereinander stolpern werden in dem Versuch, die 20 Milliarden Dollar in ihre Hände zu bekommen, sodass ein großer Teil des Geldes von Meetings, Expertenberatungen, Unkosten, Berichten und weiteren Meetings verschlungen wird. „Partnerschaften“ von Geberländern können ein teurer Selbstzweck werden, der wirkliches Handeln bloß verzögert.

Wenn die Geberregierungen wirklich Ergebnisse wollen, sollten sie das Geld den dreißig oder mehr separaten Hilfsbürokratien entreißen und es an ein oder zwei Stellen bündeln; die logischsten Anlaufstellen hierfür wären die Weltbank in Washington und der Internationale Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) in Rom. Eine oder beide Organisationen hätten dann ein Konto mit mehreren Milliarden Dollar.

Die Regierungen in hungergeplagten Regionen, besonders in Afrika, würden anschließend nationale Aktionspläne vorlegen, in denen Einzelheiten dazu stehen, wie sie die Geberfonds nutzen würden, um verarmten Bauern Hochertragssaatgut, Düngemittel, Bewässerungssysteme, landwirtschaftliches Gerät, Speichersilos und Beratung vor Ort zukommen zu lassen. Ein unabhängiges Expertengremium würde die nationalen Pläne prüfen, um ihre wissenschaftliche und betriebliche Korrektheit zu bestätigen. Angenommen, ein Plan besteht die Prüfung, so würde das Geld für seine Unterstützung schnell ausgezahlt. Danach würden die jeweiligen nationalen Programme überwacht, revidiert und bewertet.

Dieser Ansatz ist direkt, effizient, nachvollziehbar und wissenschaftlich solide. Zwei große jüngere Erfolgsgeschichten der Entwicklungshilfe sind diesem Ansatz gefolgt: die Globale Allianz für Impfstoffe und Immunisierung, die Kleinkinder erfolgreich impft, und der Globale Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria, der nationale Aktionspläne zur Bekämpfung dieser tödlichen Krankheiten unterstützt. Beide haben im letzten Jahrzehnt Millionen von Menschenleben gerettet und den Weg zu einer neuen, effizienteren und wissenschaftlich soliden Vorgehensweise in der Entwicklungshilfe geebnet.

Es überrascht nicht, dass viele UN-Behörden und Hilfsorganisationen in den reichen Ländern diesen Ansatz bekämpfen. Allzu oft geht es bei diesen Kämpfen um Revierfragen anstatt um die effektivste Möglichkeit, den Armen schnellstens Hilfe zukommen zu lassen. Obama, Rudd, Zapatero und andere vorausdenkende Machthaber können daher einen gewaltigen Unterschied machen, indem sie ihre Versprechen vom G-8-Gipfel einhalten und darauf bestehen, dass die Hilfe wirklich funktioniert. Die Bürokratien müssen umgangen werden, um die Hilfsleistungen dorthin zu bringen, wo sie gebraucht werden: in den Boden, der von den ärmsten Bauernfamilien der Welt bestellt wird.

https://prosyn.org/UlSRxxYde