furman5_Getty Images Yuichiro Chino_forecasting Getty Images Yuichiro Chino

Warum hat fast niemand die Inflation kommen sehen?

CAMBRIDGE, MASS. – Als 2008 die globale Finanzkrise Volkswirtschaften überall auf der Welt verheerte, stellte die britische Königin Elizabeth II. bei einem Besuch der London School of Economics die berühmte Frage: „Warum hat niemand das kommen sehen?“ Die hohe Inflation des vergangenen Jahres – insbesondere in den USA, wo der Anstieg der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr im Dezember mit 7 % den höchsten Stand seit vier Jahrzehnten erreichte – sollte dieselbe Frage auslösen.

Inflation ist nicht annähernd so schlimm wie eine Finanzkrise, besonders wenn der Preisanstieg mit einer starken Verbesserung der Konjunktur einhergeht. Und während Finanzkrisen per se unvorhersehbar sein mögen, gehören Inflationsprognosen zum Alltag makroökonomischer Modellierung.

Warum also haben fast alle die Inflationsentwicklung in den USA derart falsch eingeschätzt? Eine Umfrage unter 36 Prognostikern des privaten Sektors im Mai ergab für 2021 eine mittlere Inflationserwartung von 2,3 % (gemessen anhand des PCE-Kernpreisindexes, der faktischen Messgröße der US Federal Reserve für die Zielerreichung). Insgesamt sah die Gruppe eine Wahrscheinlichkeit von 0,5 %, dass die Inflation im vergangenen Jahr 4 % übersteigen würde – doch scheinen es gemäß PCE-Kernindex 4,5 % zu sein.

https://prosyn.org/TyW7Bq4de