In Varietate Concordia

MÜNCHEN – Das Motto der Vereinigten Staaten von Amerika lautet „De pluribus unum“: „Aus vielen das Eine“. Das Motto Europas ist „In varietate concordia“: „In der Vielfalt die Eintracht“ oder in offizieller Übersetzung: „In Vielfalt geeint“. Deutlicher könnte man die Unterschiede zwischen dem amerikanischen Modell und dem europäischen nicht ausdrücken. Amerika ist der Schmelztiegel. Europa ist hingegen das über lange Zeiträume historisch gewachsene Mosaik aus unterschiedlichen Völkern und Kulturen.

Angesichts dieser Unterschiede stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, die Vereinigten Staaten von Europa überhaupt anzustreben. Viele lehnen die Vorstellung ab, weil es ihrer Meinung nach keine einheitliche europäische Identität geben könne. Ein gemeinsames Staatswesen wie in den USA setze eine gemeinsame Sprache und eine gemeinsame Nationalität voraus.

Vielleicht lässt sich die Idee der Vereinigten Staaten von Europa, von der wir Nachkriegskinder geträumt haben, nicht realisieren. Ich bin mir aber nicht sicher, denn für die Vertiefung der europäischen Integration und die Schaffung eines gemeinsamen Staates sprechen auch handfeste praktische Vorteile, die keineswegs eine gemeinsame Identität oder eine gemeinsame Sprache voraussetzen. Dazu gehören das Recht, sich frei über die Grenzen zu bewegen, die Freiheit des Waren- und Dienstleistungsverkehrs, die Rechtssicherheit für grenzüberschreitende wirtschaftliche Aktivitäten, eine Infrastruktur, die nicht an den Grenzen haltmacht, und nicht zuletzt gemeinsame Sicherheitsinteressen.

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