10 Jahre Al-Jazeera-Revolution

Bei seinem ersten Erscheinen spiegelte der von Katar aus sendende neue Satellitenkanal seinen eigenen Namen wider: Al Jazeera – arabisch für „die Insel“ – war eine Insel professioneller, unabhängiger, aktueller Nachrichtensendungen in einem Meer einseitiger, staatlich kontrollierter arabischer Medien. Bevor Al Jazeeras überwiegend bei der BBC ausgebildete Journalisten auf den Plan traten, bestanden die vom arabischen Durchschnittsbürger gesehenen Nachrichtenprogramme lediglich aus Protokollnachrichten, Videos von Nachrichtenagenturen mit dem Neusten zum Palästinenserkonflikt und dramatischen Bildern von Erdbeben oder Flächenbränden.

Al Jazeera bot nicht allein Live-Interviews und Sendungen vom Ort des Geschehens; es führte darüber hinaus Live-Diskussionen in der arabischen Welt ein. Sein Programm Al Itijah al Mu’akess („Die Gegenrichtung“) brachte jene Art von verbalem Geplänkel, das der größte Teil der Welt als selbstverständlich hinnimmt, das die Araber jedoch noch nie auf dem Bildschirm erlebt hatten. Die Gäste, die Faisal Qassem ins Studio in Doha holte (oder per Satellit zuschaltete), waren Menschen aus denselben arabischen Ländern oder Regionen, aber mit völlig entgegengesetzten Ansichten.

Doch auch wenn schonungslose professionelle Nachrichten und Programme wie Al Itijah al Mu’akess den Zuschauern ein einzigartiges Fernseherlebnis boten, bedurfte es bedeutender weltweiter Konflikte, um Al Jazeera breite Anerkennung zu verschaffen. Die palästinensische Intifada, die Terroranschläge auf New York und Washington im September 2001 und die Invasionen in Afghanistan und im Irak machten aus Al Jazeera einen globalen Einflussfaktor.

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