Indiens Frauen auf dem Vormarsch

CHENNAI – Manchmal gelingt Ländern ein gewaltiger Sprung nach vorne, der alle anderen zwingt, davon Notiz zu nehmen. Hinsichtlich eines kritischen Themas - sexuelle Belästigung und Vergewaltigung - hat Indien nun mit Abstand eine Vorreiterposition eingenommen. Nach einer Reihe brutaler Vergewaltigungen, die in aller Welt Aufsehen erregten, setzen sich indische Frauen mittlerweile in radikaler, innovativer und nie dagewesener Weise zur Wehr.

Die Attacken nehmen kein Ende und erfolgen wahllos. Unter den nicht aus Indien stammenden Vergewaltigungsopfern der letzten Zeit befinden sich eine 51-jährige dänische Touristin und eine 18-jährige deutsche Mitarbeiterin einer Hilfsorganisation. Doch auch die indischen Medien berichten unaufhörlich und in beispielloser Weise über diese Fälle. Am 14. Januar brachte das Wochenmagazin The Week einen Bericht über den Fall von Suzette Jordan, einer 39 Jahre alten anglo-indischen Mutter zweier Kinder aus Kalkutta, die einen Vorfall überlebte, der einem mittlerweile sattsam bekannten Muster folgte. Im Jahr 2012 nahm sie in einer Bar ein Getränk und war einverstanden, sich von einem Mann, den sie gerade kennengelernt hatte, nach Hause bringen zu lassen. Als sie in das Auto stieg, drängten sich vier weitere Männer in den Wagen. Sie steckten ihr ein Gewehr in den Mund, schlugen sie brutal, vergewaltigten sie und warfen sie anschließend auf offener Straße aus dem Auto. 

Ihre Anzeige des Verbrechens brachte ihr neue Vorwürfe ein: die für ihren Wahlkreis zuständige Parlamentsabgeordnete Kakoli Ghosh Dastidar bezeichnete die Vergewaltigung als „ein Geschäft, das schiefgelaufen“ ist.  Ein weiterer Minister bezeichnete den Vorfall als „frei erfundene Geschichte.“ Doch Jordan kämpfte weiter und mittlerweile läuft ein Verfahren.  Außerdem gründete sie eine Gruppe zur Unterstützung der Überlebenden von Vergewaltigungen.

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