Ist der Westen überfordert?

BERLIN – In diesem Sommer werden die chaotischen Folgen der sich nach und nach auflösenden Pax Americana für die Welt sichtbar. Die Vereinigten Staaten können und wollen nicht mehr die alleinige Rolle des Weltpolizisten spielen. Sie haben dadurch immerhin in den vergangenen Jahrzehnten, wie jetzt gerade für jedermann sichtbar wird, einen globalen Ordnungsrahmen garantiert, der, wie unvollkommen dieser auch immer war und wie viele Fehler die Supermacht dabei auch immer gemacht hat, doch in der Regel ein Minimum an Stabilität garantierte. Zumindest aber, auch das wird dieser Tage sichtbar, war jene Pax Americana ein essentieller Bestandteil der Sicherheit des Westens und damit auch Europas.

Heute wird die Welt mit einer erstaunlichen Kumulation von Krisen und Konflikten konfrontiert, die alle mit dem Ende jener Pax Americana zu tun haben: die Ukraine, Irak, Syrien, Gaza, Libyen, zu dem ganzen außenpolitischen Chaos kann man auch noch die Ebola-Epidemie in Westafrika hinzurechnen. Und diese Liste beansprucht keineswegs Vollständigkeit! Jetzt fehlt nur noch die Zuspitzung in einer weiteren zentralen Bruchzone der Weltpolitik, nämlich in Ostasien, und die Welt stünde vor einer globalen Krise, die sich aus der Gleichzeitigkeit und Addition zahlreicher regionaler Krisen ergäbe, die heutzutage offensichtlich niemand mehr zu kontrollieren oder auch nur einzudämmen in der Lage ist.

Die bipolare Welt des Kalten Krieges ist Geschichte, der kurze unilaterale Moment der alleinigen Supermacht USA wurde von George W. Bush vertan und ist ebenfalls vorbei. Die Epoche der Globalisierung hat sich bis jetzt noch keinen politischen Ordnungsrahmen geschaffen oder wir sind mitten drin in diesem chaotischen Prozess des Entstehens einer neuen internationalen Ordnung, die allerdings bis dato weder über eine Ordnungsmacht oder -mächte oder gar über einen Ordnungsrahmen verfügt.

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