Ausstieg aus dem internationalen Recht

Vor kurzem nahm ich an einer Konferenz in Belgrad teil, die den Namen „Umgang mit der Vergangenheit in Ex-Jugoslawien“ trug. Obwohl das übrige postkommunistische Europa vor zehn Jahren vor solchen Fragen stand, blieben durch die Balkankriege in den 1990ern sowohl die Täter als auch die Opfer in einer Zeitschleife der verzögerten Gerechtigkeit stecken.

Als sich die Konferenzteilnehmer ihren Weg in das Belgrader Hyatt Hotel bahnten, wurden sie von einem wütenden Trupp zumeist älterer Demonstranten begrüßt, die Plakate mit der Aufschrift „Befreit Milosevic“ trugen. In einem Wirrwarr aus Medien und Sicherheitsdiensten traten sie Carla Del Ponte entgegen, der Chefanklägerin am Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (IStGHJ) in Den Haag. Del Ponte übt Druck auf Serbiens Regierung aus, in den immer noch ungelösten Fällen Radovan Karadzic und Ratko Mladic zu kooperieren, welche das Massaker an 7000 muslimischen Männern und Jungen in Srebrenica 1995 befahlen, durchführten und überwachten.

Die Demonstranten sind nicht unrepräsentativ für die Stimmung in Serbien. Fast ein Jahrzehnt, nachdem der IStGHJ seine Arbeit aufgenommen hat, tobt weiterhin der Streit um die Verantwortung für Kriegsverbrechen, wobei sogar bei den grundlegendsten Fakten des Konflikts in Bosnien, Kroatien und im Kosovo nur geringe Übereinstimmung erzielt werden konnte. Der Versuch des serbischen Ministerpräsidenten (damals Präsident) Vojislav Kostunica im Jahr 2001, eine Wahrheitskommission einzusetzen, war von Anfang an durch Vorwürfe der Parteilichkeit zum Scheitern verurteilt und wurde innerhalb eines Jahres aufgegeben.

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