9915260446f86f380e452e24_pa3688c.jpg Paul Lachine

Chinesische Widersprüchlichkeiten gegenüber Nordkorea

PEKING – Die von WikiLeaks veröffentlichten amerikanischen Depeschen aus den Jahren 2004 bis 2010 enthalten einiges Material über Chinas Politik gegenüber Nordkorea. Aus diesen Unterlagen geht angeblich hervor, China sei bereit, eine Wiedervereinigung Koreas zugunsten Südkoreas zu akzeptieren. Es ist fast unmöglich, dieser Behauptung Glauben zu schenken,  steht sie doch in krassem Widerspruch zu Chinas Politik. Weder hat man Nordkorea für die Versenkung des südkoreanischen Kriegsschiffs Cheonan im März noch für den jüngsten Artillerieangriff auf die südkoreanische Insel Yeonpyeong offen verurteilt.

Und statt Nordkorea aufzufordern, seiner verhängnisvollen Politik abzuschwören, verlangte die chinesische Führung Notfallkonsultationen unter Teilnahme der USA, Japan, Russland, China, der Vereinten Nationen und Südkorea. Keine dieser Aktivitäten deutet auf eine Bereitschaft hin, das nordkoreanische Regime den Preis zahlen zu lassen, den es für seine Provokationen verdient.

Warum also weist China Nordkorea nicht entschiedener in die Schranken? Die gängige Meinung dazu ist, dass China Nordkorea nicht als Puffer zwischen sich und dem US-Militär in Südkorea verlieren möchte. Deshalb tut China was es tun muss und unterstützt die Familiendynastie Kim, um zu verhindern dass sich die beiden Koreas zu den Bedingungen Südkoreas wiedervereinen. Die Kontroverse besteht aus chinesischer Sicht nicht in der Frage einer koreanische Wiedervereinigung – wenige in Peking glauben, dass es letzten Endes anders ausgeht – sondern darin, bis zu welchem Grad diese Wiedervereinigung ohne Beschädigung der chinesischen Sicherheitsbedenken erreicht wird.

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